Die analoge Fotografie lebt!

Fast alles, was analog geht, kann man auch digital nachahmen – aber umgekehrt manchmal nur mit einem aberwitzigen Aufwand (z.B. bei digitalem Composing mit 3-D-Elementen). Warum also wird die analoge Fotografie nicht aussterben, auch wenn es längst Filmkorn-Algorithmen gibt?

Eben weil die digitale Fotografie schneller, einfacher, bequemer, perfekter, preiswerter und die Nachahmung leicht ist.

Langsamer
Der besondere Reiz liegt auch im Langsamen. Diese beinahe meditativen Stunden, die man in der Dunkelkammer verbringt, einschließlich der Zeit, wenn noch abgewaschen und aufgeräumt werden muss. Ich möchte jetzt gar nicht beginnen von der Handarbeit in der Abgeschiedenheit des dunkelroten Raumes zu schwärmen. Man müsste ein Gedicht darüber schreiben.

Aufwendiger
Der analog Fotografierende denkt und plant seine Aufnahme anders.
Natürlich ist die Fotografie eine unablässige Folge von Entscheidungen. Perspektive, Ausschnitt, Schärfentiefe, Verschlusszeit, Helligkeit, Kontrast, Zeitpunkt u.s.w sind nur wenige Beispiele . Sie werden von unterschiedlichen Fotografen ebenso unterschiedlich getroffen werden. Hinzu kommt bei der analogen Fotografie ein weiterer Aspekt, denn der Druck auf den Auslöser führt zu Folgekosten von Material und Zeit. Auch da man das Bild erst zu einem späteren Zeitpunkt sehen kann, muss man gedanklich Vorsorge treffen, um besagte Investitionen nicht „in den Sand zu setzen“. Dieser Umstand beeinflusst aber auch die vorgenannten Einscheidungen. Bspw. kann man oft beobachten, dass der digitale Fotograf viele Varianten des gleichen Motivs einsammelt, und die ultimative Entscheidung erst später am heimischen Monitor trifft. Der analoge Fotograf betrachtet das Motiv, bis er sich für eine oder nur wenige Aufnahmen entscheidet. Auch beim Kontrast muss der analoge Fotograf länger nachdenken, will er die Helligkeiten im Bild unter Kontrolle behalten. Für die anderen Entscheidungen trifft das Gleiche zu.

Einzigartiger und mit Spuren
Dem analogen Fotografen geht es oft weniger um technische Qualität, sondern im besonderen Maße um Originalität.
Gerade in der Dunkelkammer sucht und findet er „neue“ Ausdrucksmöglichkeiten. Tatsächlich neu ist dabei moderne Formsprache und Inhalte mit den handwerklichen Techniken zu verbinden. Dabei werden die Verarbeitungsspuren oft besonders hervorgehoben. Der Betrachter soll sehen, dass das Bild auf handwerklichem Weg entstanden ist. Bei einigen dieser Techniken entstehen schon deshalb Unikate (z.B. Ambrotypien, Cyanotypien, Fotogramme, und viele mehr). Man kann nicht sagen, dass es auf analogen Wegen mehr Möglichkeiten gibt, Fotos zu schaffen, die sich von der Bilderflut absetzen. Ich habe aber deutlich den Eindruck, dass sich unten den analog Fotografierenden anteilig mehr finden lassen, die gerade von diesem Gedanken motiviert sind. Sie wollen nicht nachahmen sondern suchen nach einem persönlichen Ausdruck und lassen sich oft deshalb sehr bewusst auf einen höheren Aufwand ein, weil sie das besondere Foto schaffen möchten.

Teuerer
Zunächst darf man nicht übersehen, dass die Aufwandskosten für die digitalen Geräte tatsächlich höher sind. So lange wie analoge Kameras und Vergrößerer werden digitale Kameras, Computer und Drucker mit Sicherheit nicht genutzt werden können. Deshalb sind in kürzeren Abständen neue Investitionen nötig.
Trotzdem wird der Wert der analogen Fotografie zu Recht höher bemessen. Denn was den einzelnen Papierabzug betrifft, ist i.d.R. der Aufwand an Zeit und Geld viel höher. „Teuer“ ist indessen auch ein Gefühlswert. Gerade wer weiß, um wie vieles aufwendiger die analoge Fotografie ist, dem wird das Silberbild auch „teuer“ sein.

Wird die analoge Gemeinschaft hingegen immer größer?
Ich habe keine verlässliche Zahlen, stattdessen nur eine Spekulation anzubieten:
Auf Spiegel-Online gab es einen Artikel, der 2015 die Analoge Fotografie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden sehen wollte (Der Foto-Film stirbt langsam aus)
Richtig ist, dass im Handel „nur“ etwa 3 % der Umsätze der analogen Fotografie zuzuordnen sind. Das diese Zuordnung oft schwierig ist, mag die Überlegung verdeutlichen, ob z.B. ein Blitzgerät für die analoge oder die digitale Fotografie gekauft wurde. Sicher ist, dass die analoge Fotografie eine Nische ist und bleiben wird. Jedoch, wie viele tummeln sich in dieser Nische?
Von 2000 bis 2005 haben sich fast alle Fotografen auf die moderne Technik konzentriert. Die analoge Gemeinschaft schmolz dahin. Unterdessen fotografieren viel mehr Menschen als zu analogen Zeiten und für einige ist die digitale zur „Einstiegsdroge“ geworden. In der analogen Fotografie gibt es nicht nur junge „Touristen“ sondern auch solche, die sie jüngst für sich entdeckt haben. Wenn also absolut viel mehr Menschen fotografieren, dann ist davon auszugehen, dass auch die analoge Gemeinschaft im Wachstum begriffen ist.

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